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Eine Stadt setzt aufs Buch: Bei „Leipzig liest“, dem größten Lesefestival Europas parallel zur traditionellen Buchmesse, dreht sich in den nächsten Tagen alles um die Literatur. Im Gewandhaus wird die Messe morgen Abend eröffnet.
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Am Aufstellen eines aufgeschlagenen 11 Quadratmeter großen Holzbuches arbeitet am Montag (10.03.2008) ein Mann in der Glashalle der Leipziger Buchmesse. Das Holzbuch ist das Podium für den Leseort „Das blaue Sofa“, auf dem täglich vom Bertelsmann-Verlag, der Süddeutschen Zeitung und von ZDF „aspekte“ Autoren aus ihren Büchern lesen. Auf der Leipziger Buchmesse werden von Donnerstag (13.03.2008) bis Sonntag (16.03.2008) Verlage aus 36 Ländern ihre Frühjahrs-Neuerscheinungen vorstellen. Foto: Waltraud Grubitzsch dpa/lsn +++(c) dpa – Bildfunk+++
In den Messehallen stellen gut 2400 Verleger ihre Produkte vor – der Trubel jedoch erfasst bis zum kommenden Sonntag die gesamte Stadt. Rund 1500 Autoren präsentieren in diesem Jahr auf 1900 Veranstaltungen ihre Neuerscheinungen. Und die Besucher strömen zu Tausenden aufs Messegelände und in Bibliotheken, in alte Fabriken und Kneipen.
Das Lesefestival, das vor 17 Jahren gegründet wurde, wächst stetig. Die Messe ist ein Bücherfest, sagt Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Dabei leidet die Frühjahrsmesse eigentlich darunter, dass die wichtigen Geschäfte in Frankfurt gemacht werden und bedeutende Verlage aus den USA und Asien deshalb nicht nach Sachsen reisen. Doch der Leipziger Messe-Chef Oliver Zille schafft es, diese Schwäche als Stärke zu verkaufen.
Leipzig hat eine Nische gefunden als sympathische Publikumsmesse, als Messe für die kleineren Verlage, als Bühne für junge Autoren und für die ost- und südosteuropäische Literatur.
Neben etablierten älteren Herrschaften wie Martin Walser, Ken Follett, Hellmuth Karasek und Werner Schneyder treten in der Stadt, wo das Deutsche Literaturinstitut Schriftstellernachwuchs ausbildet, besonders viele junge Autoren auf. Darunter sind Paul Brodowsky, Thomas Pletzinger, Franziska Gerstenberg und Harriet Köhler. Besonders gespannt darf man auch auf den literarischen Nachwuchs aus Kroatien sein, dem Gastland der Buchmesse. Rund 30 Schriftsteller werden zu Gast sein, darunter viele bemerkenswerte Autoren wie Igor Stiks. Er gehört zu der Generation der 30-Jährigen, die vom Kroatien der Nachkriegszeit erzählen. Es sind Autoren, schreibt der Literaturwissenschaftler
Nenad Popovic in seinem Band über neue kroatische Literatur (Schöffling Verlag), die in „einen schwarzen Spiegel, in seelische Trümmerlandschaften“ schauen.
Eine ältere und bekannte Autorin aus Kroatien ist Slavenka Drakulic, die vor drei Jahren in Leipzig den Buchpreis zur Europäischen Verständigung erhalten hat. Drakulic wird unter anderem in der Reihe „Stadteinsichten“ diskutieren – über den Umgang mit den und dem Fremden. Neben Slavenka Drakulic sind zum Beispiel auch Marcel Bayer aus Deutschland, der Rumäne Mircea Cartarescu und der Serbe Laszlo Vegel eingeladen. Auch mit dieser Veranstaltungsreihe präsentiert sich Leipzig als Ort des Austauschs. Dort dreht es sich oft nicht nur um Poesie, sondern auch um Politik, um Fragen der europäischen Identität.
Doch so festlich und freundlich es auf dem Treff der Branche auch zugehen mag – sie hat zu kämpfen. Das trifft besonders die Hörbücher. Nach Jahren des steten Wachstums steigen die Verkaufszahlen nicht mehr so stark, wie es Verleger und Buchhändler gern hätten. Das Hörbuch gehört zu den Schwerpunkten in Leipzig – ebenso wie Comics und Titel zum Thema Bildung. Nach dem Pisa-Schock sorgen neuerdings die Diskussionen ums „Turbo-Abitur“ für Nachfrage in diesem Segment.
Allein für Lehrer und Erzieher gibt es auf der Messe 150 Veranstaltungen. Lehrer sollen der Jugend schließlich Lust aufs Lesen machen. Ein Viertel der Ausstellungsfläche ist den Kinder- und Jugendbuchverlagen vorbehalten. Ja, Leipzig setzt aufs Buch, und die Messe setzt auf die Jugend.
von Martina Sulner